Freitag, 3. Oktober 2008

Zeitschleifen

In meiner Kindheit war ich immer wieder im Museum und habe dort die Vergangenheit meiner Mutter und die meiner Großeltern gesehen. Die meines Vaters war 40 Jahre unter Verschluss. Nun ist auch meine Kindheit im Museum angekommen und damit viele Teile meiner Vergangenheit.

Küchenmaschinen, Kühlschränke und Plastikgeschirr stehen in Regalen, befreit vom Staub des Vergessens. Sie harren der Dinge die da kommen werden, wie die Brombeermarmelade im Keller meiner Schwiegermutter.

Beim Anblick einiger Museumsstücke fühle ich mich um Jahre zurückversetzt. Erinnerungen, Stimmungen, Stimmen und Bilder längst vergessener Zeiten werden plötzlich wieder wach und ich stehe da alleine mit meinen Erinnerungen.

Für Momente tauche ich ein in eine schon längst nicht mehr existierende Wirklichkeit. Die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe meiner „Geschichten aus der Mottenkiste“ haben sich schon längst verflüchtigt, sind vielleicht in die Analen der Geschichte eingegangen. Meine damalige Sichtweise der Geschehnisse ist irgendwie einer anderen Realität gewichen und je mehr von mir im Museum landet, desto älter bin ich.

So wie die Generationen beim Raumschiff Enterprise wechseln, wandert die Geschichte ins Museum und die dazugehörigen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen verschwinden in den Geschichtsbüchern.

Alles gewesene wird interaktiv und spielerisch von einer Heerschar von EDV-Begeisterten zu einem Generationsbrei verarbeitet, als Auftragsarbeit von irgendeinem Museum, für die nachfolgenden Generationen. Und immer wenn eine Generation zu Brei verarbeitet wurde, geht die Suche nach noch lebenden Zeitzeugen los.

Meine Mutter fotografierte gerne. Besaß aber kein Fotoalbum. Neue Bilder versah sie mit einem Kommentar auf der Rückseite und legte diese zu den anderen Bildern in die Schublade ihres Nachtisches.

Wenn wir Kinder alleine waren öffneten wir die Nachttischschublade unserer Mutter. Die bunt durcheinander gewürfelten Bilder hatten es uns angetan und wir gingen auf Entdeckungsreise. Die Texte auf der Rückseite waren unsere Reisebegleiter. Dabei ordneten wir die Bilder immer wieder neu. Aus der Schublade unserer Mutter wurde so ein hypermedialer Speicher ohne elektronische Datenverarbeitung.

G. K. 1995

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