Fussball-Weltmeisterschaft in Berlin

Auf einmal waren sie überall zu sehen: die Deutschlandfahnen. Andere Nationalitäten mischten kräftig mit. Und so versank ganz Berlin in einem bunten Fahnenmeer.

Wer auf dem Rollberg unterwegs war, sah nicht nur die Fahnen der an der WM beteiligten Mannschaften. Die Menschen zeigten einfach nur "ihre" Heimatflagge. Da konnte man neben der deutschen auch türkische, afghanische, jordanische, palästinensische, sudanische und libanesische Fahnen sehen.

Die Fan-Meile am 17. Juni war weit weg. Dafür tauchten in den Gaststätten und Kneipen Flachbildschirme auf. Vor dem Fernseher isst man nicht! Von wegen! Je nach dem, wann welches Spiel statt fand, saßen wir bei unserem Stamm-Griechen oder in unserer Stammkneipe vor dem Fernseher.

Das Halbfinale Deutschland-Italien sahen wir in unserer Stammkneipe. Nach dem Spiel kam ein Freund von uns vorbei. Er war beim Spiel im Stadion gewesen. Als er uns seine Bilder und Filme aus dem Stadion zeigte, erlebten wir das Spiel aus einer ganz anderen "Kamera Perspektive" noch einmal.

Als die deutsche Mannschaft sich dann auf dem 17. Juni von ihren Fans verabschiedete wollte ich dabei sein. Aber auf der Fan-Meile war es total voll. Ich wanderte zur anderen Seite der Bühne unter dem Brandenburger Tor und beobachtete den Bühnenaufgang. Als die deutsche Mannschaft die Bühne verließ, marschierte ich zum Haupteingang des Hotel Adlon. Andere hatten die gleiche Idee.

Ich war meinem Ziel so nahe, es waren nur noch wenige Schritte bis zum Haupteingang. Und dann ging es nicht mehr weiter. Vor mir stand eine Frau mit einem Kinderwagen. Und dann kamen sie. Ich habe sie alle gesehen. Dank des Kinderwagens vor meinen Füßen kam ich aber an die Spieler nicht ran. Nix Autogramme oder Fotos machen. So ein Pech aber auch...

Als die Fans hinter mir allmählich wieder Platz machten, ging ich zum Hintereingang des Hotels. Hier traf ich auf Thomas Gottsschalk und Oliver Pocher.

Beim Spiel Frankreich-Italien hatten wir verschiedene Favoriten, er war für Frankreich, ich für Italien. So etwas kann ja mal vorkommen.

In der Nacht wehte der Wind vom Flughafen Tempelhof rüber. Eigentlich herrscht hier ein Nachtflugverbot. In dieser Nacht starteten die Privat-Jets im 3-Minuten-Takt. Da begriff ich erst richtig, dass das letzte WM-Spiel 2006 in Berlin statt gefunden hat.

G. K. 2006

Wilde Tiere in der Stadt

Alles was so keucht und fleucht, wird in Berlin gefüttert. So auch 80 Tauben auf dem Nachbarbalkon. Die Raubvögel freuen sich. Sperber, Habicht, Bussard und Falken sitzen tagsüber auf dem Dach und warten auf Lebendfutter.

Auch Kormorane und Fischreiher bevölkern den Neuköllner Luftraum. Irgendwann beobachtete ich einen Schwan, der den Columbiadamm entlang flog und an "seinem" Gewässer rechts abbog.

In den Grünanlagen flattern Fledermäuse, Eulen und entflogene Wellensittiche. Kaninchen und Marder huschen in der Dämmerung an einem vorbei, die Ratten latschen einem schon fast auf die Füße und Füchse laufen "freudig bei Fuß" neben einem her. Einen Waschbären habe ich noch nicht gesichtet.

Dafür kennen viele Berliner die angriffslustigen Nebelkrähen vom Landwehrkanal.

Irgendwann tauchte Hans-Peter auf, ein Bussard aus Neukölln. Er flog von Balkon zu Balkon und suchte Futter. Später sah ich ihn an der "Hasenschänke". Die Neuköllner saßen hier in der Sonne und ließen es sich gut gehen. Hans-Peter auch. Die Hunde waren ausnahmsweise alle an der Leine und so konnte Hans-Peter mit den Spatzen von Tisch zu Tisch flattern, auf der Suche nach etwas Fressbaren.

Wenn es in der Hasenheide ruhig ist, kann es passieren, dass zwischen den Bäumen ein dunkelbrauner Raubvogel mit einer extremen Flügelspanne auf einem zugeflogen kommt. Ich bekomme jedes mal einen Wahnsinnsschreck und duck mich. Ob es ein Adler ist? Ich weiss es nicht.

Neukölln ist nicht Zehlendorf und so habe ich noch keine Wildschweine auf der Straße entdeckt. Und falls es doch einmal dazu kommt, gibt es ja das Berliner Wildtiertelefon: 030-64 19 37 23.

G. K. 2007

Guten Appetit!

Ich stand an der Fleischtheke einer Einzelhandelskette. Die Verkäuferin hinter der Theke trug Plastikhandschuhe.

Die zweite Verkäuferin vor der Theke auch. Auf Höhe der bestellten Putenbrüste trafen sich die beiden Frauen. Die eine klappte die Verglasung der Theke hoch und versprühte Glasreiniger darauf, die andere nahm zwei ungeschützt herumliegende Putenbruststücke und legte sie auf die Waage. Schön, dass die Fleischfachverkäuferinnen Handschuhe trugen. Das Fleisch kaufte ich dann doch lieber wo anders.

G. K. 2008

Spuren

Für meine Diplomarbeit wollte ich eine kleine Umfrage starten. Da im Haus regelmäßig die Post verschwindet, entschloss ich mich, die Umfrage per E-Mail durchzuführen.

Die E-Mail Adressen meiner potentiellen Teilnehmer fand ich im Internet. Um herauszufinden, ob ich mit den angegebenen E-Mail Adressen auch tatsächlich die potentiellen Teilnehmer meiner Umfrage erreiche, google ich nach ihnen.

Ich fand es erstaunlich, welche Spuren die Menschen im Netz hinterlassen. Wer ist in welchem Verein Mitglied, wer hat welchen Deckrüden, welches Kind von den Gesuchten geht auf welche Schule, wer arbeitet wo. Danach blieben viele Fragen offen. Hat das Kind nun die Prüfung im Turnierreiten geschafft? Hat Frau? ihre eigenen Ausstellungsräume nun bekommen?

G. K. 2008

Lalü, Lala

Wenn mal wieder der fette Sound von wer weiß wie vielen Lalüs in der Neuköllner Luft liegt, stört seit einiger Zeit ein auf die anderen Lalüs nicht abgestimmtes Lalü-Lala.

Vielleicht sollte das Lalü mal gestimmt werden?

G. K. 2007

Einer zieht immer...

Überall riecht es nach Weibchen, Rivalen, Essensreste, nach Füchsen, Katzen, Madern, Ratten und Mäusen, jede spur will ich folgen. Aber mit Frauchen am anderen Ende der Leine geht das nicht so einfach. Ich weiß auch nicht warum. Herrchen ist da toleranter. Wenn ich einer Sache nachgehen will, läßt er mich von der Leine. Anständig von ihm.

Weil das mit der Mensch-Hund-Schnittstelle einfach nicht funktioniert, ist Frauchen der Ansicht, das Herrchen und ich nicht zur Hundeschule, sondern zur Schauspielschule gehen. Sei behauptet sogar, daß ich von Monat zu Monat immer ausgereiftere Techniken des Betteln beherrsche, sogar gegenüber anderen Leckerlispederinnen.

An Pommesbuden setzt sich Frauchen immer durch. hier bekomme ich nichts, da hilft es auch nicht, Frauchen von hinten auzuspringen, um an die Wurst zu gelangen.

Bei den Gassirunden läßt mich Frauchen von der Leine. Dann kann ich meinen unendlichen Informationsbedarf erschnuppern. Aber ich will nicht immer mitgehen. Sobald wir vor der Haustür auf dem Bürgersteig angekommen sind, bleib ich einfach stehen und will kein Stück weiter. Frauchen nimmt mich dann an die Leine und versucht es mit Ziehen. Aber ich kann stur wie ein Esel sein. Wenn sie nicht gegen mich ankommt, zuckt sie nur mit der Schulter und gibt mir zu verstehen, daß sie auch ohne mich die Gassirunde dreht. Da habe ich nur die Wahl, entweder solange vor der Tür zu warten, bis sie wieder zurück kommt, oder hinter ihr her zu laufen.

Herrchen und ich können sie einfach nicht überzeugen, daß wir uns mittlerweile auf die Prüfung zum Begleithund vorbereiten. Nein, Frauchen glaubt immer noch an die Schauspielschule.

G.K. 2002

Neulich im Hausflur

Im Vorderhaus leben drei alte Frauen in drei verschiedenen Wohnungen, um die sich drei verschiedene Pflegedienste kümmern.

Irgendwann hörte ich extrem laute Männerstimmen im Hausflur und jemand bollerte laut an einer Wohnungstür. Als ich nachsah, was los war, bemerkte ich eine Etage tiefer die alte Frau. "Wollen 'Sie zu mir?" rief sie den Männern entgegen. Diese standen zwei Treppen tiefer vor der Wohnungstür der 84-jährigen Frau.

"Machen Sie die Tür auf! hier ist der Rettungsdienst und die Polizei!" Ein lautes "Nein!" war die Antwort. "Sie sind ja so stur wie meine Tochter!", meinte darauf hin ein Feuerwehrmann.

"Kommen Sie doch zu mir hoch, ich bin auch krank!" Mischte sich die alte Frau unter uns ein. Als keine Antwort kam, maschierte sie mit ihren 94 Jahren recht flott zu den Rettunskräften.

"Jetzt machen Sie doch die Tür auf, hier steht auch der Pfleger mit Medikamenten!" "Nein!"

Zwischen zeitlich konnte das Rettungsteam drei von fünf Schlösser an der Tür der 84-Jährigen öffnen. "Machen Sie die Tür auf, wenn wir weiter machen, geht die Tür eh zu Bruch!" "Nein, ich lasse keinen mehr rein!"

"Die war schon immer so komisch!" mischte sich die 94-Jährige ein. Wieder reagierte keiner der Anwesenden auf ihren Kommentar.

Einer der Männer fragte den Pfleger, welche Medikamente den seine Patientin bekommen sollte. Seine Antwort: "Placebos!" Ich konnte das Lachen kaum unterdrücken. Nun beschlossen die Rettungskräfte die alte Frau, zwei Stockwerke unter uns in Ruhe zu lassen. Die 94-Jährige maschierte darauf hin ohne Besuch die Treppe hoch und verschwand in ihre Wohnung unter uns.

G. K. 2003

Garagenleben

Nachdem Handwerker wegen irgendwelcher Heizungsrohre unseren Keller aufgebrochen haben, sind wir Pächter einer Garage. Unsere ist zwar klein, aber immerhin. Sie befindet sich in einem Neuköllner Hinterhof.

Seit ich das Treiben auf dem Garagenhof erlebe, weiß ich es: Berlin besteht aus vielen kleinen Dörfer. In unserem Dorf geht es Samstags Mittags recht gesellig zu: es wird gegrillt, gequatscht, getrunken und Autos gewaschen.

Auch wenn in unserer Garage nur Fahrräder stehen - das macht nichts. Als Garagenpächter wird Frau zur Fachfrau für Autolackierung, Motorproblemen und Reifenwechsel ausgebildet.

G. K. 2004

Klein-Bloggersdorf

Im Netz gibt es eine Seite, auf der sind alle Berliner S- und U-Bahnstationen aufgelistet. Wer Lust hat, kann sein Weblog unter "seiner" Bahnstation eintragen.

Unter der U-Bahnstation "Boddinstraße" gibt es neben unseren Weblogs noch drei andere Einträge und es werden immer mehr.

Ich streife gerne durch Klein-Bloggersdorf. Da gibt es Bilder, Berichte und Geschichten. Ich erfahre, wer gerade eine Straße weiter die Umzugskartons packt, wo gerade ein Wellensittich sein Unwesen treibt oder das ein Laden an der Ecke geschlossen wurde. Eigentlich sind das alles keine weltbewegenden Nachrichten. Aber es sind Meldungen von Menschen, die ich (meistens) nicht kenne, die irgendwo in unserer Umgebung leben.

Es ist einfach spannend, vor dem Computer zu hocken und Berlin und seine Bewohner auf so eine ganz andere Art und Weise kennen zu lernen.

Und wenn man sich im realen Leben kennen lernt, erzählt man sich die Geschichten, die sowieso schon im Netz "hängen", weil keiner seine Stammleser wirklich kennt.

K. G. 2004

Neulich an der Kasse

Nichts ahnend stand ich an der Kasse, mit einer Containerkiste im Einkaufswagen. Da sie nicht auf das Band passte, ließ ich sie zunächst im Wagen. Als ich an der Reihe war, zeigte ich dem Kassierer die Kiste. Seine Kollegin an der anderen Kasse, sah die Kiste und rief ganz erbost, dass die Kiste nicht verkauft werden kann. Ich erklärte ihr, dass die Kiste mit einem Preisschild ausgezeichnet im Eingangsbereich stand. Die Dame, drei Einkaufswagen weiter hatte drei solcher Kisten mitgenommen. Sie mischte sich ins Gespräch ein. Ja, ja, das stimmt...Die Kassiererin war entsetzt, das sind doch die Containerkisten von Frau S. Nein, nein, die können sie nicht kaufen.

Auch wir Kunden verstanden die Welt nicht mehr, die Kisten hatten ein Preisschild und standen sorgsam aufgestapelt im Regal. Wir wollten die Kisten kaufen.

Nun tauchte auch noch ein dritter Einkaufswagen mit einer weiteren Kiste auf. Die Kassiererin war sichtlich überfordert. Plötzlich lief sie weg. Kurz darauf kam sie fassungslos wieder. Doch ja, die Kunden haben irgendwie recht?! Per Ausruf wurde Frau S. gesucht, die sich natürlich nicht meldete, dafür ging aber das Telefon bei „meinem“ Kassierer.

Die Situation war zu komisch. Eigentlich wollten wir laut loslachen, aber das konnten wir seiner aufgeregten Kollegin nicht antun. Die anderen in den beiden Kassenschlangen betrachteten die Einlage als Sondervorstellung. Einer nach dem anderen fing an zu lachen (waren alles Zugereiste, ein Berliner lacht darüber nicht). Als nun das Telefon klingelte und die Kisten für den Verkauf frei gegeben wurden, klatschten einige und alle waren glücklich und zufrieden über das Ende der Geschichte. Für den Kunden gibt es ab und zu doch noch ein Stück gerechtigkeit.

G.K. 2001

Big Brother

Soviel steht fest: Ich bin unwesentlich über 20 und Zlatko Mathematikerin...

Freitag, den 17. März 2000. Tageshoroskop per Handy: Sie haben heute etwas Schweres vor, teilen sie ihre Kräfte ein. Die E-Mail erhielt ich kurz bevor ich mich vor den Fernseher setzte, um mir endlich auch einmal Big Brother anzusehen.

An diesem Tag erhielt die WG eine neue Spielregel: zwischen 13 und 14 Uhr sind die Kameras in den Schlafzimmern ausgeschaltet. Kerstin regte sich besonders auf. Sie machte sich zur Wortführerin und blubberte ununterbrochen in einem monotonen Ton, so dass ich nach ca. 5 Minuten den Fernseher ausschaltete. Tage später saß ich wieder vor der Glotze. Kerstin stand auf der Abschussliste. Wieder nur wenige Minuten ausgehalten.

Und wieder vor die Glotze gesetzt. Diesmal wurde der Idiotentest: „Spinnrad“ von einigen Weibchen unter der Regie von Kerstin durchgeführt. Der andere Teil der Truppe lag lieber, wie immer bei schönem Wetter, auf dem Hühnerstall und sonnte sich. Kerstin trieb es aus lauter Furcht vor dem Rausschmiss in die Arme einer recht unsympathischen Gestalt im Namen Alex. Die Rechnung ging auf. Sie blieb, eine andere musste gehen.

Zwischenzeitlich blätterte ich in der Big Brother Zeitschrift. Hier gab es das Wochenhoroskop für die einzelnen Containerbewohner. Zlatko, ein Steinbock, sollte lieber zum Angeln gehen, als in einer WG mitzumischen, erfuhr ich hier. Armer Steinbock, so zwischen Widder, Krebsen und Wassermännern und was es sonst noch so gab. Am 23. März verkündete Harald Schmidt in seiner Show, das etwas im Container passiert sei. Die Nerve aus Schöneberg trieb es mit dem Alex um 4 Uhr.

Die wirklich interessanten Gespräche führten Jürgen und Zlatko. Endlich konnte ich richtigen Männergespräche belauschen. Zwei Waschweiber unter sich. Herrlich! Beide konnten Kerstin und Alex nicht leiden. Der Rest der WG war nur gähnend langweilig.

Als Zladdi am 9.4.2000 die WG verlassen musste, endete meine Lust, bei Big Brother noch einmal reinzuschauen.

G.K. 2000

Bäume zählen

Jedem sein Hobby, so ein fröhlich vor sich hin pfeifender Mensch auf dem Fahrrad, als er mich fragte was ich den da mache.

Drei Monate im Revier Park Babelsberg und Du kennst fast jeden Baum und die Straßenbaumnummern des alten Lindenbestandes auf der Allee nach Glienicke noch dazu. Der Hoppe-Plan von 1880 wird Dein ständiger Begleiter.

An einem trüben, regnerischen Novembertag wollte ich die Obstbäume in der alten Gärtnerei kartieren. Dabei stellte ich fest, dass ich von meinem Leben auf dem Land nur noch die Wildkirschen zwecks Aufgesetzten und Holunder für meine Lieblingsmarmelade behalten habe.

Auf dem Gelände der Gärtnerei gab es aber Äpfel, Birnen, Aprikosen, Pflaumen, Pfirsiche und Kirschen. Historische Pflanzungen, welche aus den 20/30 er Jahre, welche aus den 60/70 er Jahre, Neupflanzungen und ehemalige Kübelpflanzen.

Ich ging von Baum zu Baum starte sie an, aber keiner sprach mit mir ein Wort. Ich schaute auf den Boden, auf der Suche nach den Früchten. Bei der Ansprache des Fallobstes mit Hilfe der Gammelstufenbestimmung scheiterte ich kläglich.

Aber an dem Tag hatte jeder so seine Probleme. Selbst der Traktor. Beim Böschung-Rollversuch mit Anhänger gab es einen Verletzen. Den Elchtest hat er damit nicht bestanden.

Er lag nur da, wie die alte Dampflokomotive die man auf dem Rücken gelegt hatte, damals am Anhalter Bahnhof.

G.K. 1999

Ein Spaziergang am 24.12.2008

Auch wenn der Hund schon 8 Jahre ist, braucht er immer noch viel Bewegung. Und so gehen wir jeden Mittag spazieren.

Bei Nieselregen ging es heute zum Hundeauslaufgebiet in die Hasenheide. Hier stammen die Trampelpfade ins Unterholz nicht von Wildschweinen, sondern durch afrikanische Drogenverkäufer und ihrer meist männlichen Kundschaft. Jetzt, in den letzten Stunden vor der Bescherung glichen diese Pfade schon eher Ameisenstraßen. Im Streichelzoo war nichts los, auch nicht nebenan auf der eingezäunten Hundewiese. Dafür aber auf dem Weg zur Bergmannstraße.

Vom Denkmal für die Berliner Trümmerfrauen bis zum Eingang Südkreuz treffen sich die, die es nicht nötig haben, sich im Gebüsch zu verstecken. Lautstark geht es hier zur Sache, Hunde laufen frei herum und mein Hund mitten drin. Ich werde von den afrikanischen Dealern und deren Kunden wie immer freundlich begrüßt. Am Südkreuz angekommen, liefen die Menschen mit Blumensträußen und Tüten zur U-Bahn.

Auf der Bergmannstraße war es ungewöhnlich ruhig. Alle Restaurants, Cafes, Bars und Geschäfte hatten mittlerweile geschlossen und am Marheinekeplatz wurden die letzten Buden des Weihnachtsmarktes von Meschen ausländischer Herkunft abgebaut.

Jetzt, kurz nach 15 Uhr, strömten junge Mütter und Väter mit ihren Kindern, mit und ohne Oma und Opa im Schlepptau, zum Familiengottesdienst zur Passionskirche.

Entlang der Zossener Straße ging es nun weiter. Rund um den U-Bahnhof Gneisenaustraße hatten viele Läden geöffnet. Es ging nun weiter zum Blücherplatz. Auch hier strömten erstaunlich viele Elternteile mit ihrem Nachwuchs in die Kirche. Mit dem Hund ging ich weiter zum Urbanhafen. Kaum war der Hund von der Leine, stürmte er zu einer schwarzen Dackeldame mit Regencape. Ihr Frauchen trug Gummistiefel, dazu eine schwarze, fein glitzernde Hose und unter dem Anorak schaute eine ebenso glitzernde Bluse hervor. Am Kanal war es ruhig. Von weiten mischte sich das Glockenläuten mit Sylvesterböllern. Am Eingang des Urbankrankenhauses war auch nicht viel los. Auch hier am Planufer war es still. Hier eilten die letzten zum Gottesdienst in die Melanchthon-Kirche.

An der Kottbusser Brücke angekommen, war es vorbei mit Weihnachten. Die Läden unserer Mitbürger mit Migrationshintergrund hatten alle geöffnet. Auch entlang des Maybachufers waren die Fenster der Kebabläden hell erleuchtet. Hier und da huschte jemand mit Geschenken unter dem Arm an uns vorbei.

Ich ging die Liberdastraße entlang zum Reuterplatz und weiter die Reuterstraße hoch zur Sonnenallee. Die Weihnachtsdekoration an einigen Balkons wirkte hier eher verloren. In der Hähnchenbude sitzen junge Muslime und die Geschäfte für Brautmoden haben ebenfalls geöffnet. Nicht anders auf der Karl-Marx-Straße. Die Männer-Cafes sind wie immer gut besucht. In einem Schaufenster hing ein Zettel, mit dem eine blonde, weibliche Bedienung gesucht wird.

Als ich in unserer Straße ankam, schloss gerade der afrikanische „Beauty Shop“ gegenüber.

Am Abend lief ich mit dem Hund noch einmal um den Block. Vor einem Haus stand ein Umzugswagen und auf der Hermannstraße fuhr laut hupend eine türkische Hochzeitsgesellschaft an mir vorbei.

Aber heute war irgendetwas anders. Der afrikanische Beauty Shop und das afrikanische Cafe an der Ecke hatten heute Abend zu. Es war ruhig ums Haus. Die Kunden und Gäste belagerten diesen Abend einmal nicht den Bürgersteig.

G. K. 2008

Glücksbringer

1995 heiratete mein Bruder. Nach der Trauung fuhr das frisch vermählte Paar mit ihren Gästen ins Jägerheim am Dickenberg.

Auf den Tischen lagen Kornblumen und Kornehren auf einem blauen Band, das alle Tische verband. Inmitten dieser Pracht saßen kleine Zwerge.

Als die Hochzeitsgemeinschaft mit dem Essen beschäftigt war, schwebte unbemerkt eine gute Fee über die Tischreihen. Sie schaute sich das Brautpaar an, lächelte und gab ihnen ihren Segen. Danach verschwand sie und die kleinen Zwerge erwachten im Schein der vielen Kerzen. Ganz benommen rieben sie sich die kleinen Geister ihre Augen und schauten sich vorsichtig um. So mitten auf dem Tisch fühlten sie sich aber ganz unwohl. Sie warteten darauf, dass die Menschen zur Bühne schauten, damit sie ganz schnell vom Tisch verschwinden konnten. An der Tischkante angekommen, rutschten sie die Tischdecke herunter und krabbelten in die Taschen der Anwesenden.

Es war schon weit nach Mitternacht, als sich die Gäste vom frisch getrauten Paar verabschiedeten. Als die Hochzeitsgäste in ihren Wohnungen angekommen und ins Bett gegangen waren, verließen die kleinen Zwerge ihr Transportmittel. Sie schauten sich in ihrem neuen Heim um und suchten sich ein schönes Versteck.

Nun leben die kleinen Geister in den Wohnungen der Hochzeitsgäste und solange keiner der kleinen Geister von einem Staubsauger erwischt wird, sorgen sie jetzt und in alle Zeiten dafür, dass immer wenn die Menschen meinen, es geht nicht mehr weiter, von irgendwo ein Lichtlein kommt.

G. K. 1995

Kaffeetropfen

Es war 10 Uhr und ich saß in einer Rostocker Amtsstube. Meine Kommilitonen und ich hörten uns den Vortrag "Verkehrswegeplanung der Stadt Rostock in den letzten 20 Jahren" an.

Dabei hatte ich nur ein Problem: Wann gibt es Kaffee?

Ich saß direkt neben dem Amtsleiter und mein Blick fiel auf den ganzen wohlsortierten Stoß Folien neben dem Projektor. Ich beobachtete seinen Vortragsstil. Für eine Folie brauchte er genau 3 Minuten und er redete ohne Unterbrechung. In Gedanken tropfte nach jeder abgearbeiteten Folie ein Tropfen Kaffee in eine Tasse. Der Amtsleiter redete ohne Unterbrechung bis 12 Uhr. Ich kam auf 35 Tropfen Kaffee. Fünf Tropfen musste ich abziehen, da hin und wieder doch eine Zwischenfrage beantwortet wurde. 1,59 ml in zwei Stunden, dass ist gerade mal ein Esslöffel voll.

G. K. 1998

Ich, Du und die Bagger

... die Gestaltung der Abbauböschungen ist abhängig von den Abbaugeräten und damit vom Abbauverfahren, wobei es, wie ihr alle wisst, verschiedene Baggerarten gibt, die wiederum in Baggerklassen eingeteilt werden können.

Die verschiedenen Baggerklassen wollen aber nichts von dezentral angebautem Rhabarber und von freilaufenden Bäuerinnen wissen. Sie gestalten lieber nach Lust und Laune Abbauböschungen und schmeissen mit Eimern und Schürfkübeln um sich 'rum. Ganz pfiffige arbeiten mit Druckluft oder saugen gleich ganze Abbauböschungen in sich auf, aber das gehört nicht zur Bodenkunde, den Teil des Referates hat ein Kommilitone gehalten. Dafür aber das Krümelgefüge im Bett und ein Fuchs vor dem Küchenfenster auf der Suche nach freiherumlaufenden Baggern an der Sandkuhle.


Einige Ergänzungen zum Abbaugebiet Waldrebensteig

Abbauplanung:
Der Sandabbau ist erst ab einer Einsatzstärke >2 gewährleistet.

Abbauverfahren:
Das bekannteste Abbauverfahren in dieser Sandkuhle ist der Tiefschnitt mit Hilfe von Schüppchen, Händen, Eimerchen und Pommesschalen.

Sandaufbereitung:
Die Sandaufbereitung erfolgt bei schönem Wetter mit dem Gartenschlauch, wobei die Ergebnisse der Siebkurven drastischen Schwankungen unterliegen. Neben der Gewebehaftfähigkeit tritt in erhöhtem Maße auch die Schuhsohlenhaftung hinzu.

Transport:
Abhängig vom spezifischen Schuhvolumen, Feuchtigkeitsgrad der Abbautruppe, Bekleidung und Haarlänge, geschieht der Transport vom Abbaugebiet in die umliegenden Häuser auf Zuruf.

Alternative zum Sandabbau:
Eis essen!

G. K. 1996

Die Eroberer sind da

...und haben ihre Schlangen mitgebracht

Bei territorialen Auseinandersetzungen ist es im Laufe des Jahres immer wieder zu Machtkämpfen zwischen der Inselbevölkerung von Westberlin und ihren Möchtegern-Eroberern, den Staatenlosen aus dem Nahen Osten gekommen. Die Lage ist vom Feinsten. Ihre Forderung nach schlechter Luft für alle und freien Zugang zu allen Kaufhausregalen einschließlich aller Grabbeltische setzen sie weiterhin in konzentrierte Aktionskunst um.

Die passive Haltung „Ich will meine Mauer wieder haben“ wird allmählich von der einheimischen Bevölkerung aktiv umgesetzt: durch Verdrücken in die letzten noch verbliebenen Freiräume, bis hin zur Auswanderung in nicht belagerte Gebiete.

Mit dem erklärtem Ziel, Strukturen aus der Zeit vor der großen Kälte zu rekonstruieren, finden massive Verlandungsversuche statt. Die Insel droht mit dem Territorium der Eroberer zusammenzuwachsen. Das gelingen dieser Aktion von Seiten des Staates hängt nicht alleine von der Regierung ab, sondern zu einem erheblichen Teil von dem wirtschaftlichen Verhandlungsgeschick.

Zur Verstärkung der Truppen im Westen, werden erste Einberufungsbefehle erlassen. Diese Maßnahme erzwingt den Anschluss Berlins an das bundesweite Netz des NATO-Express.

Die Lage der Inselbewohner ist kritisch, zumal die Bundesregierung immer mehr als Verbündeter der Ossi-Mentalität auftritt. Im staatenlosen Teil von Deutschland werden immer mehr arbeitslose West-Politiker gesichtet. Die Vermutung liegt nahe, dass sie hier ein Comeback anstreben.

Bei einer Kapitulation der Maueranhänger vor Bund und den Guerilleros der FNL (Fünf Neuen Länder) wird der Senat von Berlin mit Hilfe der letzten Senatsreserven eine Notdienstzentrale einrichten. Diese Einrichtung soll in Zusammenarbeit mit Telekom und der Radfahrgemeinschaft ein Verlaufen der Inselbewohner in den unbekannten Teil der Stadt verhindern.

Mit Hilfe von diversem Kartenmaterial und Tandems sollen allen Mauersuchenden, die vom Weg abkommen, schnell und unbürokratisch geholfen werden. Telefonschecks und drei Groschen je Insel-Einwohner werden im Laufe der Sylvesternacht durch die ehemaligen Grenztruppen verteilt. Alle, die sich im Ernstfall verirren und bei der Notdienstzentrale anrufen, erhalten unverzüglich Auskunft über ihren Standort und über den korrekten Weg zu ihrem angestrebten Ziel. Falls dies telefonisch nicht möglich ist, werden die betroffenen Personen zum nächsten Cafe gelotst und zu einem französichem Frühstück eingeladen. Der bis dahin eingerichtete Fahrraddienst holt mit einem Tandem die betroffenen Personen ab, um sie mit vereinten Kräften ans Ziel zu bringen.

G. K. 1990

Abendgebet

Liebes Arbeitsamt!

Auch wenn Du nicht in der Lage bist, mir einen anständigen Job zu vermitteln, wünsche ich mir von ganzen Herzen, das Du wenigstens für unseren Hausbesitzer ganz schnell einen Job findest, aber bitte weit, weit weg von seinem Haus.

Zur Zeit lungert er mit seinem billigem Pfeifentabak Tag für Tag im Treppenhaus herum und die gesamte Mieterschaft kümmert sich mit vereinten Kräften um ihn. Abwechselnd lässt sie sich mit Weisheiten und Ratschlägen vollmüllen. Aus lauter Verzweiflung über diese hausinterne Treppenfalle beißen die ersten schon in die Tischkanten.

Liebes Arbeitsamt, sei doch wenigstens das eine mal nicht so hartherzig und denk auch mal an Deine soziale Verantwortung gegenüber anderen. Auch Dich kann er als Besucher in seinem Haus erwischen und dusselig anquatschen. Jedenfalls, seine Schränke hat er schon lange mit seinen Halbwahrheiten vollgestopft.

Liebes, liebes Arbeitsamt, habe doch mit uns Mietern Erbarmen und erlöse uns von diesem Plagegeist.

G. K. 1994

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